von Michael Royen

Wenn ich aus der Haut fahre, so bin ich mir sicher, dass ab diesem Mo­ment eine Neuerschaffung meiner Selbst potentiell möglich ist. Die An­strengung, mittels Malerei diesen Zustand, nämlich den einer quasi Selbst­entleibung zu erreichen, wird mitunter im Bild offenbar. Ich teile die Ver­wunderung und das Interesse mit dem Betrachter, wenngleich das Gefallen – oder Nichtgefallen der Arbeit, oder des Bildes, für mich keine mögliche Empfindung ist. Ich bin im allgemeinen nicht fähig den Zeitpunkt zu loka­lisieren, ab dem eine Selbstbefreiung stattgefunden hat. Aber ich weiß, dass es eine Verwandlung gegeben hat. Das Überbleibsel, das Bild, ist eine Art Protokoll dieser Metamorphose, ein Beleg.

In Trance zu verfallen kann auch eine Umkehrung der gewöhnlichen Welt bedeuten. Die Überwindung des Spuks. Kann ich zu einer anderen Größe gelangen wenn ich die Welt aufgebe?

Reißt man den Schleier der Maya fort, so heißt es, kann man sehen was wirklich ist. Ich kann das niemanden raten, aber wer glaubt das tun zu müs­sen, kann möglicherweise anders nicht mehr leben. Wenn ich sehe – also versuche das auszuhalten – dann nur, weil ich dadurch wirklich werde. Die Überwindung der Welt bedeutet mir zunächst die Überwindung meiner selbst (ich reiße ja mir die Welt weg).

Gänzlich anders als in den vielfältigen Formen des Buddhismus, die durch die Überwindung der Bedürfnisse des Leibes eine Klarsicht der Welt zu erlangen anstreben – der Pfad der Erleuchtung, möchte ich die Welt zum Verschwinden bringen um meine  nicht stillbare Neugier zu befriedi­gen. Ich will nicht aufgehen im Ganzen (sozusagen verschwinden) sondern alles aus mir heraus erschaffen. Ich muss selber Schöpfer sein.

So kann ich nur die eine Hölle sehen. Strafe seit Anbeginn, euer ich (mein Gefängnis). Dieses loszuwerden mache ich mir selber zum Geschenk. Und die Nähe zum  Rest, eure sogenannte Realität, verschwindet. Ich will nichts mit diesem eurem Ich zu tun haben, denn das seit ihr.

Der Genuss von Lysergsäurediäthylamid (LSD) verursacht keine Neben­wirkungen aber eine ungeheure Offenbarung: Die vollständige Aufgabe dieser Welt zugunsten einer nicht mit Werten besetzbaren anderen – wirkli­cheren – Welt. Und das wann immer wir uns von dieser Welt zu verabschieden wün­schen.

Seien Sie nicht so dumm und nehmen sie Designerdrogen, möchte man rufen. Atemberaubend phantasielos zu glauben, es käme auf die körperliche Verfassung an, um die Genussfreude auszuweiten und alles unangenehme auf leichter Schulter zu balancieren. Denn das vermeintlich Angenehme ist, dass wir glauben es sei so wie es uns erscheint schon ganz in Ordnung. Eine Welt die uns hält und die wir halten in der rührenden Hoffnung, dass sie dereinst gnädig zu uns sein möge, auch wenn wir nicht den geringsten Schimmer davon haben, warum sie das tun sollte (und das sie es tun würde), so kann uns doch nichts anderes halten als unser Spleen. Spleen ist die Beschwörung einer realen Welt für die großzügige Annahme eines rea­len Ich. Denn diese Welt ist zuvörderst dazu da uns unser Ich zu bestätigen, oder gar zu garantieren. Die Realität ist der selbstgezimmerte Spiegel für unser eitles Ich, was wir sorgsam zupflegen wissen usw. usf.

In den Bildern wird die Welt geopfert zugunsten einer kleinen, bescheide­nen, Wahrheit. Diese Wahrheit ist das Bild. Das behauptet dadurch es wahr ist seinen Wert.

Die Kunst sich selbst aufs Spiel zu setzen.

Jackson Pollock hat eine Katharsis auf sich genommen: Die einer Ich-Zerstörung. Das vitale Aufbegehren gegen das verinnerlichte Äußere führt zu einer Selbsttötung. Sein Werk ein Selbstbefreiungsschlag. Mehr als andere hat er gezaudert und dieses Ich (welches Skrupel und Ängste hat) schließlich überwunden um einer spektakulären Selbstfindung willen. Ihm gelang die Rückkehr zu dem empfindlichsten Stadium des Menschseins, die der  Selbstwerdung.

Der Einfluss auf die Kunst konnte daher nur sensationell ausfallen, möchte man sagen. Hier zeigte sich die Emanzipation vom Leiden in radikalster Therapie. Ein Blitz in das Gebälk der stabilisierenden Maßnahmen.

Die ernüchternd banale Erkenntnis, das wir nicht mehr sind als man aus uns macht (und mit uns macht) produziert  eine Trotzhaltung mit der wir den Untergang zu bejubeln scheinen. Sigmar Polke: „Höhere Wesen befahlen, untere Ecke schwarz malen. Als ich mich wehrte, merkte ich, dass sie es ernst meinten.“

Mainstream ist Mimikry.

Standpunkt beziehen heißt Farbe bekennen.